Manchmal möchte ich etwas so richtig, richtig gern haben. Ein Kleidungsstück, eine Pflanze oder eine Seifenblasenpistole. Die Seifenblasenpistole habe ich bis heute nicht. Und häufig genug bin ich erleichtert und dankbar, wenn das Objekt meiner Begierde außer Reichweite ist und der Rausch des Habenwollens wieder langsam abklingt und ich mir doch keine Discokugel für unseren Apfelbaum gekauft habe. Das ist dann ein bisschen wie der Kater am nächsten Morgen. Das Hochgefühl war da, der Rausch. Übrig bleibt der schale Geschmack und vielleicht auch ein bisschen Scham darüber, dass ich so kurz davor war, alle meine Prinzipien über den Haufen zu werfen.
Bei der Seifenblasenpistole und der Discokugel bin ich bisher standhaft geblieben. Dafür quillt mein Kleiderschrank über vor Second-Hand-Klamotten, unsere Wohnung sieht aus wie ein Dschungel und auf dem Balkon wächst die Winde an sich selber wieder hoch, weil das Rankgitter komplett vom Hopfen belegt ist.
Eigentlich sollte das hier ein Text darüber werden, warum mir Konsum nicht so wichtig ist. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ich schon gern konsumiere. Und kann man das jemandem vorwerfen? Ist ja auch gesellschaftlich akzeptiert, sich ab und zu mal zu betrinken. Alle machen das ab und an und in dem Moment fühlt es sich so gut an. Lässt sich irgendwie ja auch gut verdrängen, dass man sich beim letzten Mal geschworen hat, das war´s jetzt, den Kater ist es nicht wert.
So ähnlich geht es mir damit, wenn ich mir Dinge kaufe, die ich eigentlich nicht brauche. Für einen kurzen Moment freue ich mich, aber häufig genug ärgere ich mich viel länger darüber, dass der begrenzte Platz in unserer Wohnung jetzt von einem Spontankauf verstopft wird. Zugegeben, das passiert mir nicht mehr sehr oft. Aber das musste ich trainieren und freimachen kann auch ich mich davon nicht. Meistens beherrsche ich mich aber, weil ich weiß, dass ich eine Sache nicht unbedingt brauche, in der Regel gar nicht. Dass ich vielleicht grad Ablenkung von etwas suche, mir langweilig ist oder ich Selbstzweifel habe und mir kurzzeitig nicht mehr einfällt, dass ich mich eigentlich nicht über meinen Besitz definieren will, sondern über meine Haltung, meine Ideen, meine Taten.
Deswegen will ich in diesem Text vielleicht einer etwas anders gestellten Frage nachgehen: Was hilft mir dabei, weniger zu konsumieren und woher kommt überhaupt mein Bedürfnis nach dem Konsum von Dingen?
Den zweiten Teil der Frage habe ich mir schon so halb beantwortet. Wenn ich etwas haben will, was ich nicht brauche, ist das oft eine Übersprungshandlung. Denn eigentlich brauche ich nichts. Das bete ich regelmäßig zu Weihnachten und meinem Geburtstag runter, denn es stimmt ja. Ich habe genug Kleidung und Schuhe; ich habe auch noch nicht alle Bücher gelesen, die mein Freund und ich besitzen und die Bibliothek ist nicht weit; unsere Wohnung ist gemütlich und funktional eingerichtet und auch drei Fahrräder sind mehr als genug für eine Person. Und dennoch: Manchmal will ich einfach was Neues haben. Immerhin, ich nutze immer noch mein erstes Smartphone – kenne aber auch genug Leute, die ganz prima ohne Smartphone auskommen…
In den letzten Jahren bin ich deswegen immer wieder Kompromisse mit mir selbst eingegangen. Denn ich weiß ja, dass jedes Produkt einen ökologischen Fußabdruck hat, mein Konsumverhalten sich (negativ) auf die Umwelt auswirkt. Also versuche ich in Momenten des Habenwollens öfter mal in mich reinzuhorchen. Oft stelle ich dann fest, dass ich eigentlich eine neue Herausforderung oder Beschäftigung brauche. Je besser ich mich selbst beschäftige, desto weniger will ich haben. Und die innere Befriedigung darüber, dass ich etwas geschafft habe, ist fast immer viel größer, als wenn ich mir etwas kaufe, das jemand anders hergestellt hat und das am Ende in der Ecke landet und nicht mehr benutzt wird.
Wie verhandele ich also mit meinem Gewissen? Denn darum geht es ja, oder?
Fange ich mal bei meinen Klamotten an. Mir ist nicht komplett egal, wie ich rumlaufe. War es nie. Aber alte Pullis von Oppa sind ja mittlerweile immerhin unter Hipstern en Vogue. Zu Schulzeiten fühlte ich mich damit noch rebellisch, jetzt einfach nur wohl. Und bei Kleidertauschpartys, auf Flohmärkten und in Second-Hand-Läden gibt es ja durchaus auch Kleidungsstücke, die regelrechte Hingucker für kleines Geld sein können – und nicht extra noch mal für mich produziert werden müssen. Und da in der Mode ja sowieso irgendwann alles wiederkommt, fahre ich in vielen Fällen ganz gut damit, die eingemotteten Kleiderschränke meiner Mutter und Oma zu plündern. Neue Sachen kaufe ich mir wirklich selten und die meisten Klamotten trage ich, bis sie auseinanderfallen. Für mich ist das ein guter Mittelweg, um doch immer mal wieder was Neues zum Anziehen zu haben.
Irgendwann habe ich festgestellt, dass es mir bei vielen Dingen nicht so sehr ums Besitzen, sondern eher ums Herstellen geht. Der Weg ist das Ziel und so. Und die Befriedigung oder der Rausch, um in der Metapher vom Anfang zu bleiben, ist wenigstens bei mir umso größer, wenn ich etwas in der Hand halte, was ich selbst gemacht habe. Ich liebe es zu sehen, wie eine Socke beim Stricken immer länger wird, wie ein Muster entsteht. Oft verschenke ich meine selbst gestrickten Socken und freue mich wie Bolle, wenn der oder die Beschenkte bei unserem nächsten Treffen in meinen bunten selbstgemachten Socken davon schwärmt, dass er oder meistens sie darin so warme Füße hat. Wolle muss ich dafür selten kaufen, weil ich noch die riesigen Restbestände meiner Oma aufbrauche.
Ein anderes Beispiel sind meine Pflanzen. Mittlerweile habe ich gemeinsam mit Freunden einen Garten und auf unserem Balkon kann man sich wieder bewegen. Trotzdem habe ich auch zu Hause noch immer viele Zimmer- und Balkonpflanzen. Ich hege und pflege sie, freue mich darüber, dass sie wachsen und gedeihen und pflanze jeden Ableger ein, den mir eine Pflanze schenkt. Oft gebe ich die Ableger weiter oder tausche sie. Was ich dabei immer wieder beobachte: Eine neue Pflanze, egal ob Ableger oder Tausch, löst in mir ähnliche Gefühle aus wie ein neues Kleidungsstück oder potentiell eine Seifenblasenpistole. Allerdings hält das Glücksgefühl länger an. Ich muss mich ja auch weiter um die Pflanze kümmern, habe bereits viel Liebe und Zeit in sie investiert und freue mich auch jedes Mal wieder, wenn z. B. meiner Monstera ein neues Blatt wächst oder der Kaktus einen neuen Trieb hat. Ein Tick von mir ist, die Pflanzen in einem Raum zu zählen. Ganz egal scheint mir Besitz also doch nicht zu sein.
Ähnlich erfüllend finde ich es, anderen bei etwas zu helfen und ihnen die Möglichkeit zu geben, auch etwas selbst zu machen. Denn zu Hause sind manchmal grad alle Projekte abgeschlossen, aber der Drang nach Machen, Tun und Neuem ist trotzdem da. Ich gehe deshalb gern ins Repair Café und helfe dort beim Nähen – Kleidung reparieren, Gardinen kürzen, Beutel nähen. Die glücklichen Gesichter über eine geflickte Lieblingshose oder das Leuchten in den Augen, wenn die erste Naht selbst mit der Maschine genäht wurde, machen auch mich glücklich und ich habe einerseits das Gefühl, dem Konsum von etwas Neuem entgegengewirkt zu haben und sehe andererseits, dass durch meine Mithilfe etwas entstanden ist. Passiv-Konsum könnte man vielleicht sagen!?
Mir würden noch mehr Beispiele einfallen, aber euch bestimmt auch.
Mir ist klar, dass es ein großer Luxus ist, mich bewusst entscheiden zu können, auf etwas zu verzichten und damit glücklicher zu sein als mit vielen Besitztümern. Ich glaube, niemand möchte die alten Sachen von Familienmitgliedern auftragen müssen, weil es nicht anders geht und dann womöglich noch dafür gehänselt werden. Ich wurde in der Schule oft genug schief angeschaut, aber ich wollte das ja so. Es war ein Statement.
Denjenigen, die sich leisten können, ihren Konsum gezielt zu überdenken, empfehle ich aber, vor dem nächsten Kauf einen Moment inne zu halten und zu überlegen, brauche ich das wirklich?
Autorin: K.